Dieses bestickte Medaillon schmückte vermutlich einst eine Tunika, das Hauptkleidungsstück der Spätantike. Die Mehrzahl der überlieferten Zierstücke spätantiker Tuniken ist gewebt. Stickereien wie dieses Medaillon sind selten. Die Stickerei ist flächendeckend in feinem Wollfaden auf einem durch Alterung brüchigen Leinengewebe ausgeführt. Die Farbigkeit in sattem Rot für den Hintergrund, schwarzen Konturen und grüner, gelber, brauner und beigefarbener Wolle für Gewänder, Inkarnat und Gegenstände ist sehr kräftig erhalten und zeugt von qualitativ hochwertigem Farbmaterial. Durch die dichtere Oberflächenbehandlung des schwarzen Stickfadens und eng gesetzte kurze Stiche haben die einzelnen Stiche der Konturlinien einen besonderen Glanz und wirken wie kleine Perlen. Bemerkenswert ist die sehr lebendige Zeichnung der Figuren. Die Darstellung zeigt zwei sich im Rhythmus der Musik bewegende Frauen mit einem Saiteninstrument. Es lässt sich nicht eindeutig erkennen, wer hier die Tänzerin und wer die Musikerin ist. Die Frau auf der linken Bildseite tanzt in ausgreifenden Bewegungen und schwingt in ihrer rechten Hand einen Zweig. Sie trägt nur einen über die Schultern gelegten offenen Mantelumhang. Auch die zweite Frau ist sehr bewegt dargestellt. Ihre Kleidung – eine lange Tunika und darüber ein gegürtetes Obergewand – lassen die rechte Brust, Schultern und Arme frei. An Hals, Oberarm und Handgelenken sind ockerfarbene Bänder zu erkennen, die wohl goldene Schmuckreifen darstellen. Zwischen beiden steht eine dreisaitige Lyra auf einem hohen Fuß. Bilder tanzender und feiernder Personen sind auf spätantiken Festtagsgewändern nicht ungewöhnlich.
Ankauf 1898. Aus der Sammlung Carl Reinhardt, laut Eingangsbuch aus der Nekropole Drunka bei Assiut